EINLEITUNG: Libertarismus in der Organisationsentwicklung von Götz R. Piwinger

 Inhaltsverzeichnis

Libertarismus in der Organisationsentwicklung


Eine Kuratierung persönlicher Erfahrungen in selbständigen Kapitel-Essays. Die Kapitel werden nach und nach veröffentlicht. Ich habe mich dieses Mal dagegen entschieden, ein Buch mit einem Verlag kommerziell zu veröffentlichen und freue mich, wenn meine Leser sich vielleicht für einen Impulsvortrag oder Unternehmensprojekte interessieren würden.

Auf geht´s!

Wie ist dieses Buch optimal zu nutzen?

1. Aufbau

Dieses Buch besteht - wie viele Bücher auch - aus Kapiteln. Die Besonderheit besteht allerdings darin, dass jedes Modul als Essay ausgestaltet ist. In der Konsequenz kann jedes Kapitel völlig unabhängig von anderen Kapiteln -sozusagen als Impulsreferat- eingesetzt werden. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass sich Inhalte zu Kapitelbeginn überschneiden können. Vor allem, wenn es um die Herkunft und die Definition von Liberalismus geht. Ökonomie-philosophisch möchte ich meine Bewunderung für den großen Ökonomen Friedrich August von Hayek nicht verstecken. Ein Ziel dieses Buches ist die Übertragung der Hayek´schen, staatsökonomischen Prinzipien auf die Organisationsentwicklung in Unternehmen.

In meiner Laufbahn als Manager, Unternehmer, Berater und Hochschulprofessor kommt mir das Privileg, eine Vielzahl von Unternehmen und anderen Organisationen von innen zu kennen, sehr zu Gute. Vor allem das häufige Scheitern der Projekte - und das ist die absolute Mehrzahl - machte mir klar, dass  derartige - generationenübergreifende Umstellungen nur allzu oft halbherzig durchgeführt wurden. Mit dem Fortschreiten der Zeit nimmt die Dynamik der Veränderung sichtbar ab - solange, bis am Ende eine Verflechtung von Kompromissen entsteht, die weniger Effizienz, weniger Service und oft auch weniger nachhaltige Gewinne mit sich bringen.

Einleitung

Liberalismus ist eine der einflussreichsten Ideologien der Moderne. Er basiert auf den Prinzipien individueller Freiheit, Selbstbestimmung und Verantwortung. In der Organisationsentwicklung gewinnt dieser Ansatz zunehmend an Bedeutung. Unternehmen und Institutionen sehen sich in einer Welt der ständigen Veränderungen mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die Flexibilität, Innovation und Partizipation erfordern. Der Liberalismus bietet dabei ein wertvolles Paradigma, um Organisationen zukunftsfähig zu gestalten.

Dieses Buch beleuchtet Aspekte des Liberalismus in der Organisationsentwicklung und zeigt auf, wie liberale Prinzipien dazu beitragen können, Unternehmen erfolgreicher und menschenfreundlicher zu machen. Dabei werden praktische Beispiele, wissenschaftliche Erkenntnisse und konkrete Handlungsempfehlungen vorgestellt.

1. Grundlagen des Libertarismus

Der Libertarismus hat seine Wurzeln in der Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts. Philosophen wie John Locke, Immanuel Kant und Adam Smith legten den Grundstein für eine Weltanschauung, die auf individuellen Rechten, Selbstverwirklichung und freiem Handel basiert.

In der Organisationsentwicklung bedeutet Liberalismus vor allem:

  • Entwicklungsfreiheit der Mitarbeitenden:
    Menschen sollen sich selbst entfalten und Entscheidungen im Handlungsraum der Organisationsziele eigenständig treffen können.

  • Verantwortung:
    Jeder Mitarbeitende/ Jedes Team ist bereit, Verantwortung für sein Handeln zu tragen.

  • Chancengleichheit:
    Alle Menschen in einer Organisation sollen gleiche Chancen für ihre persönliche Entwicklung erhalten.

Diese Grundwerte schaffen ein Umfeld, in dem Innovationen gefördert und Potenziale optimal genutzt werden können.

2. Liberalismus in der Organisationsentwicklung: Ein modernes Konzept

Traditionelle, hierarchische Strukturen in Organisationen haben in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Der Wandel hin zu flexibleren, agilen Strukturen ist ein klares Zeichen für die Notwendigkeit eines liberaleren Ansatzes.

Liberale Prinzipien in der Organisationsentwicklung umfassen:

  • Dezentralisierung von Entscheidungen:
    Entscheidungen werden nicht mehr allein von der Führungsebene getroffen, sondern auf verschiedene Ebenen verteilt.

  • Förderung der Eigenverantwortung:
    Mitarbeitende werden dazu ermutigt, Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen.

  • Offene Kommunikationsstrukturen:
    Informationen werden transparent geteilt, um Vertrauen und Zusammenarbeit zu fördern.

Dieser Ansatz ermöglicht es den Organisationen, schneller auf Veränderungen zu reagieren, kreative Lösungen zu finden und die Motivation der Mitarbeitenden zu steigern.

Freiheit bedeutet immer auch, Verantwortung zu übernehmen!

3. Vorteile liberaler Prinzipien in der Organisationsentwicklung

Der Einsatz liberaler Prinzipien in der Organisationsentwicklung bietet zahlreiche Vorteile:

3.1 Förderung der Innovationskraft

In liberalen Organisationen wird Kreativität gefördert. Mitarbeitende haben die Freiheit, neue Ideen zu entwickeln und auszuprobieren, ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Dies schafft ein Umfeld, in dem Innovationen gedeihen können. Es gibt keine Denkverbote.

Beispiel: Unternehmen wie Google setzen seit Jahren auf ein liberales Modell der Selbstorganisation. Mitarbeitende können eigene Projekte vorschlagen und eigenverantwortlich umsetzen, wenn das Teamnetzwerk zustimmt. Auf der Meta-Ebene stehen die gemeinsamen Werte der Organisation. Das Ergebnis sind zahlreiche innovative Produkte und Dienstleistungen.

3.2 Stärkung der Mitarbeitermotivation

Menschen sind motivierter, wenn sie das Gefühl haben, Einfluss auf ihre Arbeit nehmen zu können. Liberale Organisationsstrukturen geben den Mitarbeitenden das Gefühl, dazu zu gehören und motivieren sie, ihre Fähigkeiten voll einzubringen.

In Organisationen, die nach dem Prinzip der Holokratie arbeiten, gibt es keine klassischen Hierarchien. Die Mitarbeitenden übernehmen eigenverantwortlich Rollen und Aufgaben, was zu höherer Zufriedenheit und Produktivität führt.

3.3 Anpassungsfähigkeit an Veränderungen

Libertäre Organisationen sind anpassungsfähiger, da sie flexibel auf Veränderungen reagieren können. Dezentralisierte Entscheidungsprozesse ermöglichen es, schneller und effektiver auf neue Herausforderungen einzugehen.

Während der angeordneten Verhaltensweisen während der COVID-19-Pandemie haben viele Unternehmen durch neue Arbeitsmodelle, Homeoffice-Lösungen und die flexible Einführung aktuell gefragter Produkte bewiesen, dass liberale Strukturen eine hohe Resilienz bieten.

4. Praktische Umsetzung liberaler Prinzipien

4.1 Einführung von Selbstorganisationsmodellen

Selbstorganisationsmodelle wie Holokratie oder Soziokratie sind Beispiele für die praktische Umsetzung liberaler Prinzipien in Unternehmen. Diese Modelle basieren auf der Verteilung von Verantwortung und der Förderung von Eigeninitiative.

Traditionell geht man in der Organisationsentwicklung davon aus, dass die Ordnung im Unternehmen durch dafür autorisierte Personen bestimmt wird, beispielsweise durch den Unternehmer oder das Top-Management. Oftmals sind auch externe Berater involviert. Diesem Modell der Fremdorganisation werden typischerweise zwei Formen der Selbstorganisation gegenübergestellt:

  • Autonome Selbstorganisation:
    Hier kann allen Organisationsmitgliedern, z.B. den Teams, eine Organisationskompetenz eingeräumt werden, so dass sie bewusst Ordnung mitgestalten können, die ihren eigenen Handlungsraum betrifft . 

  • Autogene Selbstorganisation:
    In jedem Unternehmen ist das Phänomen zu beobachten, dass sich Ordnung, Regeln und Muster auch "von selbst" und spontan bilden. 

Wie Ordnungen im Unternehmen autonom und autogen entstehen, muss im Einzelnen für drei Handlungsbereiche separat betrachtet werden. Die Deutung der organisationalen Wirklichkeit, die Normen des sozialen Handelns und die Aufbau- und Ablauforganisation. 

Die Herausforderung liegt also im Wechselspiel zwischen autonomer und autogener Ordnung, und zwar in der Form, dass die Organisationswerte den Handlungsraum des Einzelnen, der Teams und der gesamten Organisation bestimmen. Die Gestaltung dieses überaus wichtigen Handlungsraums bedingt den kühnen Wandel der Personalentwicklung hin zum kompetenzorientierten Lernen und ist ein Top-Down Prozess. Dieser Prozess steht für das Minimal-Management oder auch Effizienz-Management. es geht darum, die Basis für eine nachhaltige -im Sinne von zielführendem Handeln- Selbstorganisation herzustellen.

Eine Organisation und deren Erfolg definiert sich durch die Summe aller Entscheidungen!

4.2 Förderung der Unternehmenskultur

Eine liberale Organisationskultur erfordert:

  • Vertrauen:
    Führungskräfte müssen Vertrauen in die Handlungsbereitschaft ihrer Mitarbeitenden haben und die notwendigen Rahmenbedingungen fördern.

  • Offene Kommunikation:
    Transparente Kommunikationsstrukturen fördern den Austausch von Ideen und Feedback. Die mutige Abkehr von der E-Mail-Kommunikation hin zu transparentem, wissensschaffendem, Forenaustausch und dem Teilen von Informationen stellt eine Herausforderung dar. Doch es ist der einzige Weg zur Schwarmintelligenz, ohne die es in Zeiten von Kompetenz- und Arbeitskräftemangel in einer der schnell verändernden Welt nicht mehr gehen wird.

  • Wertschätzung:
    Mitarbeitende müssen in ihren Leistungen und Fähigkeiten wertgeschätzt werden. Wertschätzung entsteht durch Beachtung in unterschiedlichsten Varianten. Es geht nicht immer um Lob und öffentliche Anerkennung. Oft ist gegenseitiges Zuhören und offene Reflexion der produktivste Weg dorthin, vor allem aber auch deswegen, weil wir dafür die notwendigen Strukturen im Rahmen der Einrichtung von Kompetenzmanagement herstellen können!

Methoden und Systeme müssen immer Hand in Hand gehen!

Was nützt es, in umfangreichen Schulungsmaßnahmen neue Methoden zu lehren, wenn dies die  IT-Prozesse im Alltag nicht abbilden können? Umgekehrt ist die Einführung neuer IT-Systeme ohne die fachliche und sozial-psychologische Vorbereitung zum Scheitern verurteilt. Beispiele gibt es genügend dafür.

Dieser Paradigmenwechsel erfordert Mut und Entscheidungskraft, doch er kann niemals scheitern! Denn auf dem Weg dorthin entstehen viele, neue und nützliche Erkenntnisse, mit denen die Organisation immer den Weg nach vorne findet. Wer diesen kühnen Weg jedoch nicht mutig beschreitet, wird aller Wahrscheinlichkeit nach überholt und wird demnach schrumpfen. Der Weg zur libertären Organisation ist ein “Legacy-Projekt”. Es ist zwar kein “Moon-Shot”, dazu sind privat geführte Unternehmen aus finanziellen Gründen selten in der Lage, doch in der Kommunikation gibt es keine Unterschiede zur Apollo-Mission. Liberalismus in der Organisationsentwicklung ist eine Mission, die sich über alle technischen und soziokulturellen Aspekte erstreckt, die alle Stakeholder und das ganze Organisationsnetzwerk berühren wird. Auch deshalb ist die Kommunikationsstrategie - manchen nennen es das “Marketing nach innen” von entscheidender Bedeutung.


4.3 Nutzung moderner Technologien

Technologien wie digitale Plattformen und Kommunikationstools sind zwingend notwendig, um liberale Prinzipien weitestgehend personenabhängig umzusetzen. Sie erleichtern die Automatisierung,  den Informationsaustausch und unterstützen flexible Arbeitsmodelle. Vor dem Hintergrund fehlender Erfahrungen, Globalisierung, Krisen, Digitalisierung und sich schnell ändernden Gesetzesvorgaben sind stabile IT-Prozesse erforderlich.

5. Herausforderungen und Lösungen

Obwohl der Liberalismus in der Organisationsentwicklung zahlreiche Vorteile bietet, gibt es auch Herausforderungen:

5.1 Widerstand gegen Veränderungen

Viele Mitarbeitende und Führungskräfte sind an traditionelle Strukturen gewöhnt und reagieren zunächst skeptisch auf Veränderungen. Eine klare Kommunikation, sowie Werte- und Kompetenzentwicklung  können helfen, diese Barrieren abzubauen.

5.2 Balance zwischen Freiheit und Kontrolle

Eine Herausforderung besteht darin, die richtige Balance zwischen individueller Freiheit und organisatorischer Kontrolle zu finden. Es gibt zwar eine Reihe von Selbstorganisationsmodellen, doch faktisch kann es für Unternehmen nur ein Hyperziel, nämlich die Gewinnoptimierung geben. Für andere Organisationen, wie Verwaltungen könnte dies ein stets zu optimierendes Effizienzziel sein.


6. Fazit

Der Liberalismus bietet ein starkes Fundament für eine moderne Organisationsentwicklung. Durch die Förderung von individueller Freiheit, Eigenverantwortung und offenen Kommunikationsstrukturen können Unternehmen flexibler, innovativer und anpassungsfähiger werden. Die Umsetzung liberaler Prinzipien erfordert jedoch eine bewusste Veränderung der Unternehmenskultur und der Führungspraktiken. Unternehmen müssen entschlossen in die IT-Prozesse eingreifen!

Wenn Organisationen den Mut aufbringen, den libertären Weg einzuschlagen, können sie langfristig von einer stärkeren Mitarbeitermotivation, einer höheren Innovationskraft und einer besseren Anpassungsfähigkeit profitieren. In einer Welt, die sich ständig wandelt, sind dies entscheidende Faktoren für nachhaltigen Erfolg. In einer Zeit der Übergabe von vielen Boomern an zahlenmässig weniger und jüngere Führungskräfte müssen Unternehmen zwangsweise skalierbar optimieren, um die Leistungsfähigkeit nicht nur zu erhalten, sondern auch nachhaltig ohne Tabus auszubauen.

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